Es wird Zeit

 

Ich sitze in der Morgensonne, unter Palmen, die Vögel zwitschern, das Meer rauscht unentwegt, wir sind an der letzten Station unserer Reise angekommen – in einem Baderesort unweit von Praia do Forte, rund 120 km nördlich von Salvador de Bahia. Nach mehr als 7 Nomadenwochen – wir waren nur ganz selten mehr als eine Nacht im selben Zimmer – sind wir hier für drei Nächte einquartiert und haben ausreichend Zeit, unsere Erlebnisse zu reflektieren.

 

Über die Orte an denen wir waren, die Menschen die wir getroffen haben, die vielen Überraschungen die diese Reise für uns parat hatte, unsere Beziehung – schließlich waren wir die letzten Wochen kaum mehr als 10 m voneinander getrennt – und vor allem hatten wir im räumlichen Abstand von rund 15.000 km auch ausreichend Zeit, über unsere weitere Lebensplanung nachzudenken.

 

Begonnen hat diese Reise eigentlich schon vor Jahren, als Beate beschlossen hat wieder ein Sabbatical zu nehmen und damit die Möglichkeit, viele Wochen am Stück weg zu sein. Südamerika als Reiseziel zu wählen war dann relativ logisch – es liegt auf der Südhalbkugel und somit ist hier Sommer, wenn ich am Betrieb zu Hause abkömmlich bin, es ist landwirtschaftlich äußerst interessant und vor allem gibt es auf diesem Kontinent unzählige Orte, die es wert sind, besucht zu werden.

 

Beate begann zu recherchieren, trug Prospekte zusammen, ich kaufte die Spanischbücher und mit der Zeit wussten wir, welche Länder auf diesem riesigen Kontinent wir unbedingt bereisen wollten. Retrospektiv gesehen war aber der Besuch der Ferienmesse in Wien der allerwichtigste Schritt, der zum Gelingen dieser Reise beitrug, denn dort trafen wir Herrn Dr. Kraus, der uns von Beginn an sympathisch war und als Reiseplaner eine sehr gute Ortskenntnis hier hat. Zusammen planten wir Land für Land, ich sagte welche landwirtschaftliche Region ich unbedingt sehen wollte – auch wenn sie wie z.B. die Provinz La Pampa in Argentinien doch sehr ausgefallen waren - Beate war für die touristische Planung zuständig und unser Dr. Kraus machte daraus ein perfektes Package für jedes einzelne Reiseland – und wenn ich perfekt sage dann meine ich eigentlich so richtig perfekt, denn es waren alle Sitzplätze auf den bisher 16 Flügen vorreserviert, alle Transfers und Abholungen klappten, alle Stadtführer waren zum vereinbarten Zeitpunkt am vereinbarten Ort, die Mietautos standen auf die Minute genau vor dem Hotel und vor allem die Quartiere, die uns Dr. Kraus ausgesucht hat haben ganz genau unseren Wünschen entsprochen – kleine Boutiquehotels, Estancias oder Hotels die mitten im Stadtzentrum oder in der Nähe von touristischen Highlights lagen.

 

 

 

Ecuador – eigentlich wollten wir nur zu den Galapagosinseln, die zu Ecuador gehören. Die Fahrt durchs Tiefland mit seiner intensiven tropischen Landwirtschaft, die Überquerung des 4.200 m hohen Passes am Weg nach Cuenca – mit lauter Sechstausendern rund um uns, Cuenca selbst und die umliegenden Dörfer und Märkte (bunt, sauber und wohlschmeckend) die wir besuchten, das war wirklich umwerfend. Dieses Andenerlebnis so in unmittelbarer Nähe der Tropen, die Millionenstadt Guayaquil – genau auf Äquatorebene - bleiben uns ebenso in Erinnerung wie die überaus freundlichen Menschen hier, die hart daran arbeiten die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in ihrem Land auf friedliche Weise zu verbessern.

 

 

 

Peru – auch dieses Land ist geographisch dreigeteilt: im Westen das Tiefland am Pazifik, in der Mitte die Anden und im Osten das Amazonastiefland. Von der 10 Millionen Metropole Lima haben wir nur den Flughafen kennengelernt, aber Cusco – die Hauptstadt der Inkas – das fruchtbare Hochland, die Inkastadt Machu Picchu, das Urubambatal und die peruanische Seite des Titicacasees haben wir sehr intensiv bereist. Die Geschichte des Inkareichs, die Eroberung durch die Spanier, die Hochlandlandwirtschaft (die Kartoffel wachsen hier noch auf über 4.000 m Seehöhe) und die Probleme die das sehr rasches Bevölkerungswachstum in Peru zur Folge hat, konnten wir mit den vielen persönlichen Guides ausführlich diskutieren. Das Amazonastiefland wird in Europa fälschlicherweise oft nur Brasilien zugeordnet. Aber die grüne Lunge der Erde teilen sich geographisch gesehen die Länder Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivien und natürlich auch Brasilien. Wir bereisten den peruanischen Teil und landeten drei Tage nach Papst Franciscus in Puerto Maldonado. Mit Bus und Schiff gings dann hinein in den Regenwald. Aber nicht nur in Brasilien wird der Urwald in großem Stil gerodet. Die rasch wachsende Bevölkerung benötigt immer mehr Ressourcen und darüber hinaus breiten sich die Goldminen im Dschungel wie ein Krebsgeschwür aus. Derzeit ist nur noch ein Drittel des Regenwaldes hier als ursprünglich zu bezeichnen, der Rest wird für tropische Landwirtschaft genutzt, aber der geringe Humusgehalt des Urwaldbodens eignet sich nicht wirklich für eine nachhaltige Landwirtschaft, sodass viele Flächen erodieren und ebenso wie die ausgebeuteten Miningareas zu Ödflächen verkommen. Allen hier ist bewusst, dass es so nicht weitergehen kann, aber wenn wir im reichen Norden nicht bereit sind, durch Umweltzahlungen unseren Beitrag für die Erhaltung dieser grünen Lunge zu zahlen, wird sie verschwinden und die Folgen für das Klima werden uns dann vielleicht noch viel teurer zu stehen kommen. Jedenfalls wurden wir auf der gesamten Reise, in allen Ländern von vielen Menschen – ungefragt - darauf hingewiesen, dass sich die Wetterabläufe in Südamerika in den letzten Jahren als zumindest sehr außergewöhnlich beschreiben lassen – hier sprechen alle vom Klimawandel.

 

 

 

Chile – das reichste, wirtschaftlich und militärisch dominierende Land an der Pazifikküste Südamerikas liegt in fast allen Bereichen auf europäischen Niveau. Wir nahmen ein Mietauto und bereisten die bevölkerungsreichste Mitte des Landes auf eigene Faust. Auch hier wurden unsere Erwartungen in allen Bereichen mehr als erfüllt – von den Fischgerichten wird Beate noch lange schwärmen, die Landwirtschaft ist noch intensiver und perfekter als erwartet (wir fanden kaum einen Fleck den wir besser bewirtschaften könnten), der Umgang mit den Wasserressourcen, die tollen Weine und die umwerfende Landschaft haben uns in Verbindung mit den überaus freundlichen Chilenen wirklich beeindruckt. Die intensive Mitte des Landes war unser Fixstarter, darüber hinaus mussten wir uns entscheiden – 2.000 km weiter südwärts nach Patagonien oder 2.000 km nach Norden in die Atacamawüste – wir wählten die Wüste und hatten dort 3 Tage Regen, sodass ein Besichtigungstag buchstäblich ins Wasser fiel. Aber das war die einzige Ausnahme auf der gesamten Reise, überall sonst hatten wir wirkliches Wetterglück. Vor allem am Machu Picchu – durch eine mehrstündige Bahnunterbrechung starteten wir unsere Tour nicht am verregneten Vormittag, sondern am Nachmittag, zuerst noch in leichtem Regen, dann in Nebelschwaden und schlussendlich in strahlendem Sonnenschein – was in der Regenzeit wirklich nicht selbstverständlich ist.

 

Chile hat – ebenso wie die Nachbarländer Argentinien und Brasilien – die Diktatur der Militärs in den 80er Jahren überwunden, hat eine expandierende Wirtschaft, zieht Arbeitskräfte aus allen umliegenden Ländern an und integriert obendrein tausende Haitianer, die nach dem großen Erdbeben keine Zukunft im eigenen Land mehr sehen. Viele Peruaner arbeiten hier und sie bringen nicht nur ihre Arbeitskraft, sondern auch ihre Küche mit und die ist in ihrer Vielfalt führend in ganz Südamerika.

 

 

 

Argentinien – nach Brasilien das zweitgrößte Land des Kontinents. Das erste Highlight war gleich einmal die Hauptstadt Buenos Aires – die räumliche Ausdehnung war ebenso beeindruckend wie die Sehenswürdigkeiten - die Hauptstraße hat 20 Fahrspuren, die durch zahlreiche Alleen getrennt werden. Der kulinarische Höhepunkt des Landes sind zweifellos die Steaks, wir verkosteten eins in der Hauptstadt und machten nahezu täglich dann einen Vergleichstest.

 

Ich wollte unbedingt in die Pampa – also erst mal 750 km nach Westen, nur flach, nur Äcker, Wiesen, Maschinenhändler und Getreideübernahmestationen. So eintönig es scheinen mag, aber die Pampa ist feucht, es gibt zahlreiche Flachwasserstellen mit unzähligen Wasservögeln und somit war es auch für Beate durchaus spannend – wenn sie nicht den Mietwagen auf den schnurgeraden Straßen lenkte („follow tihs road for the next 127 km“ war ein typischer Hinweis auf unserem Navi), saß sie mit ihrer neuen Nikon auf der Lauer – die Bilder von unzähligen verschiedenen Wasservögeln (inklusive Flamingos) können sich sehen lassen. Bei Rosario erreichten wir zum ersten Mal den Fluss Parana, sahen die Hochseeschiffe die hier mitten im Land mit Soja und Mais beladen werden und vor allem das mehr als 60 km breite Flussdelta zwischen Rosario und Victoria. Einer der absoluten Höhepunkte der Reise waren dann die Estancias auf denen wir nächtigten. Die herzlichen Aufnahmen durch die Gastgeber, die Baulichkeiten und die vielen Möglichkeiten die wir vorfanden haben uns richtig begeistert. Aber das war noch nicht alles es folgten noch die Iberasümpfe und die Wasserfälle von Iguacu – jedes für sich eine Argentinienreise wert, wir hatten eine wundervolle Zeit.

 

Argentinien ist wie Chile ein aufstrebendes Land, aber noch nicht ganz so weit mit der Eindämmung der Korruption – neben dem z.T. immer noch starken Bevölkerungswachstum in den einzelnen Ländern – das große Problem Südamerikas.

 

 

 

Brasilien – was als gemütlicher Abschluss unserer Reise gedacht war, entwickelte sich durch die vielen überaus positiven Überraschungen zum krönenden Abschluss der ganzen 8 wöchigen Tour durch Südamerika. Das 5 Sternehotel im Nationalpark von Iguacu war ebenso umwerfend wie Rio de Janeiro. Nicht nur der Zuckerhut und die Copocabana sind echt sehenswert, auch die tollen Guides die wir in Brasilien hatten machten unsere Stationen in Brasilien zu echten Höhepunkten.

 

 

 

Wo es uns am besten gefallen hat? Diese Frage können wir beide nicht beantworten, denn mit Ausnahme der Galapagosinseln, die unsere ohnehin sehr hohen Erwartungen „bloß“ erfüllten, übertrafen alle anderen Destinationen diese Erwartungen bei weitem. Ich konnte mir jedes Feld, jede Kultur, jedes Bewässerungssystem anschauen, denn entweder waren wir selber – abseits von Autobahnen – mit dem Mietauto unterwegs, oder wir hatten Fahrer und Guides, die auf unsere Wünsche sehr individuell eingingen. Das hat bereits in Ecuador so begonnen, wir fuhren stundenlang durch ein Tiefland mit intensiver tropischer Agrarkultur, testeten gleich am ersten Tag unsere Höhentauglichkeit bei der Fahrt nach Cuenca, als wir auf 4.200 m herumspazierten. Apropos Gesundheit, ein Grund, warum diese Reise die zweifellos schönste unseres Lebens war, ist die Tatsache, dass wir weder Krankenversicherung noch Reiseapotheke in Anspruch nehmen mussten, keine Anzeichen von Höhenkrankheit hatten, Beate auch ohne Kortison keine Luftprobleme mehr hatte und sich auch die Moskitodichte für einen Marchfelder durchaus in Grenzen hielt. Wir waren zwar oft im Dschungel – mit Giftschlangen, giftigen Raupen, Pfeilgiftfröschen etc. – aber wenn man weiß, wo man sich wann wie bewegen kann (und diese Informationen bekamen wir überall sehr eindringlich), ist es relativ ungefährlich.

 

Besonders wurde diese Reise auch durch die vielen interessanten, freundlichen und herzlichen Begegnungen mit Menschen aus vielen Nationen und natürlich die einzigartigen touristischen Highlights, wie  Machu Picchu, Amazonastiefland, Santiago, Valparaiso, Buenos Aires, Iguazu Wasserfälle- hier beonders die Übernachtung im Nationalpark - und zuletzt Salvador und Paira do Forte. Wir verstehen nun geschichtliche Zusammenhänge und Entwicklungen besser und können in Diskussionen unsere Eindrücke einfließen lassen Vorurteile abbauen und dadurch zum besseren Verständnis füreinander beitragen.

Herzlichen Dank noch einmal an den Planer unserer Rundreise Herrn Dr. Kraus, der sehr viel zum stressfreien Gelingen beigetragen hat.